Was passiert, wenn du plötzlich alleinerziehend bist?
„Wenn eine Illusion zerplatzt, wirst du um eine große Erfahrung reicher.“
Hallo, ich bin Silke Wildner und seit Ende 2014 alleinerziehende Mama eines Sohnes und einer
Tochter. Mein Ehemann trennte sich 2 Wochen nach der Geburt unseres zweiten gemeinsamen
Kindes. Für mich kam es aus heiterem Himmel und ist die erschütterndste Erfahrung in meinem
Leben bisher gewesen.
Die Trennung knallte wie ein Donnerschlag in mein Leben. Gerade hatte ich unsere Tochter zur
Welt gebracht und noch im Wochenbett entschied mein Mann, dass unsere gemeinsame Zeit
vorbei sei. Einfach so und für mich unfassbar. Mein sorgsam aufgebautes Leben mit Kindern,
einem Ehemann und einem Eigenheim zerschellt wie ein kleiner Kutter an einer Felswand bei
stürmischer See. Ich wurde von jetzt auf gleich zu einer Schiffbrüchigen, die sich an jedes noch so
kleine Teil des gesunkenen Schiffes klammerte.
Aber es blieb dabei. Mein Mann wollte keine Eheberatung und am liebsten so schnell wie möglich
ausziehen. 4 Monate später machte er es wahr. So startete ich in die bisher größte Herausforderung meines Lebens:
Entdecken und fördern Sie die geistige Entwicklung Ihres Babys
Jetzt HerunterladenAlleinerziehend sein mit zwei kleinen Kindern
Angst machte sich in mir breit. Wie sollte ich den Alltag mit einem Baby und einem Kleinkind ganz alleine stemmen? Denn mein Mann arbeitete damals überwiegend von Zuhause aus und so konnte ich ihn oft um Hilfe bitten, Dinge mit ihm organisieren und alles Mögliche direkt besprechen.
Auch stellte ich mir die Frage, wie ich unser zukünftiges Leben finanzieren sollte. Ich denke, das
ist für viele Mütter vor und in der Trennungsphase einer der Faktoren, der die größte
Existenzangst und Panik auslöst. Und wo sollte ich wohnen und meine Kinder groß ziehen?
Würde ich unser erst kurz zuvor gekauftes Eigenheim alleine abbezahlen können?
Mein ganzes Leben wurde schlagartig über den Haufen geworfen und viele Gedanken über meine
Zukunft mussten neu gedacht werden. Denn: „Bis dass der Tod euch scheidet“ hatte keine
Aussagekraft mehr und alles war wieder möglich.
Warum sich mein Mann getrennt hatte
Ganz ehrlich: Ich habe bis heute nie den wahren Trennungsgrund erfahren. Und das ist keine
Seltenheit, wie ich aus Gesprächen mit anderen Alleinerziehenden weiß. Aber ich kann mir
vorstellen, dass mein Ex-Mann dem Familienleben einfach nicht gewachsen war.
Dennoch habe ich mittlerweile meinen Frieden mit der Trennung gemacht. Ich habe mir verziehen
für diese Partnerwahl und trauere dem alten Leben nicht mehr hinterher. Nein, ich bin sogar froh,
dass ich heute ein ganz anderes Leben leben kann. Diese Lebenskrise und die damit
einhergehenden Herausforderungen haben mich wachsen lassen.
Denn in einer handfesten Krise lernt man sich selbst von einer ganz neuen Seite kennen. Und man
lernt sich auch selbst wieder zu vertrauen – denn da ist ja sonst keiner mehr. Alles muss aus der
eigenen Kraft gestemmt werden. Die neue Sicherheit kommt nämlich nicht von außen, sondern
von innen – aus einem selbst heraus.
Und mit diesem Gedanken „Alles ist wieder möglich“ blitzte dann ein Hoffnungsschimmer in mir
auf. Ich dachte nicht mehr nur über den Verlust nach, den ich erlitten hatte und die
Ungerechtigkeit, wieso ein Elternteil trotz Ehe und Neugeborenem einfach so von heute auf
morgen seine Familie verlassen darf und kann, sondern auch über die neuen Möglichkeiten.
Das Wort „Alleinerziehend“ jagt eine Heidenangst ein
Der Begriff „Alleinerziehend“ ist allerdings ein wahres Schreckgespenst. Das wurde mir aber erst
klar, als ich mittendrin steckte. Denn wohin ich auch blickte und wo auch immer ich mich
informierte, überall lauerte das Bild der traurigen, verlassenen und unselbständigen
Alleinerziehenden:
Arm, einsam und überfordert als Opfer an den Rand der Gesellschaft gedrängt, sah ich mich
schon Kette rauchend im Sozialbrennpunkt in einer viel zu kleinen Wohnung sitzend der
Altersarmut entgegenblicken.
Aber Moment mal… ich rauche ja gar nicht und wer sagt denn, dass die neue
Familienkonstellation irgendwie auf meinen Charakter abfärbt?!
Immerhin gab es 2022 in Deutschland 2,76 Millionen Alleinerziehende und die Tendenz ist steigend. Leider sind es immer noch überwiegend Frauen, die alleinerziehend sind: 2022 waren es 2,27 Millionen Mütter und 487.000 Väter insgesamt. Das sind Millionen Menschen! Wie können wir da alle gleich sein?!
Und dennoch wird in den Medienberichten und Fernsehreportagen die immer gleiche „Leidensgeschichte“ Alleinerziehender präsentiert und kein einziges positives Vorbild gezeigt. Das ist der Grund, warum ich irgendwann den Fernseher ausgeschaltet und den Laptop zugeklappt habe. Dieses Framing zog mich nach unten. Warum also weiter Zeit und Energie damit verschwenden?
Was bedeutet „gut alleinerziehend“?
Dadurch entstand bei mir aber auch eine immer größer werdende Diskrepanz zwischen dem
„öffentlichen Bild der Alleinerziehenden“ und meinem eigenen inneren Bild. Daher vermied ich in Gesprächen zu erwähnen, dass ich alleinerziehend bin, weil ich diese Schublade nicht für mich beanspruchen wollte.
Aber so richtig gut fand ich diese Behelfslösung nicht. Mich nervten die Fragen nach „meinem Mann“ und mir fehlte ein gleichgesinnter Austausch mit Menschen, die in einer ähnlichen Lage waren wie ich; aber auch versuchten, nicht daran zu verzweifeln, sondern Lösungen statt Probleme zu finden. Denn es ist schon etwas anderes, den Familienalltag mit all seinen Belangen alleine zu stemmen.
Aus dieser Situation heraus gründete ich 2018 meinen Blog und danach die beiden dazugehörigen Facebook-Gruppen. Ich wollte meine Erfahrungen als Alleinerziehende und den Blick auf das Positive weitergeben und suchte den Austausch. Denn wir haben alle das Recht auf ein gutes Leben – unabhängig vom Beziehungsstatus.
Kennst du die 3 Phasen des Alleinerziehendseins?
Um zu verstehen, das alleinerziehend nicht gleich alleinerziehend ist und wie es anders, aber gut
werden kann, gebe ich dir einen Einblick in die drei Phasen dieser Lebensform:
In der ersten Phase wird man in richtig kaltes Wasser geworfen und hat das Gefühl zu ertrinken.
Alles ist im Umbruch, Trennungen, Abschiede und die große Frage, wie es weiter gehen soll steht
noch ungelöst im Raum.
In der zweiten Phase kommt man teils sehr mühselig in der neuen Lebenssituation an, aber gut sieht noch anders aus. Ich nenne diese Phase gerne „Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen“. Denn hier probiert man alte Lösungen auf die neue Lebenssituation zu übertragen, kommt so aber schnell an die Grenzen der emotionalen und finanziellen Vereinbarkeit.
In Phase drei hat man seinen Frieden geschlossen, tragfähige Lösungen gefunden und sich ein weit autarkeres Leben aufgebaut, als jemals zuvor. Es ist anders, aber gut und man hat die Challenge der Krise angenommen und in etwas Neues verwandelt.
Es gibt Studien hierzu, die genau dieses Bild herausarbeiten. Alleinerziehende in Phase 3 in die traurige„Opfer“-Schublade stecken zu wollen oder ihn zu attestieren, dass sie nicht belastbar sein, ist eine bodenlose Frechheit.
Wir könnten alle so viel mehr lernen von Alleinerziehenden in Phase 3. Daher sind für mich diese Menschen die Task-Force im Wandel des Familien- und Frauenbildes, der sich heute schon überall abzeichnet.
„Alleinerziehend sein ist eine Lebensumstellung, aber keine Sackgasse und schon gar nicht das Ende der Welt! Alleinerziehende sind auch nicht automatisch arm. Du kannst dein Leben jetzt wieder selbst in die Hand nehmen, entrümpeln und nach deinen Vorstellungen und Werten selbst bestimmen. Für ein gutes Leben unabhängig des Beziehungsstatus, denn es ist dein Leben.“
Über die Autorin Silke Wildner
Silke Wildner ist 46 Jahre alt, beruflich Autorin, Bloggerin und Podcasterin und arbeitet parallel freiberuflich als Diplom-Designerin im Bereich Online-Medien.
“Allein mit Kind” ist ihre erste Buchreihe, die Silke Wildner zusammen mit Christina Rinkl initiierte, um unterschiedliche Einblicke in die individuellen und vielfältigen Lebenssituationen alleine mit Kind zu geben. Band 1 von Silke Wildner mit dem Titel „Flexibler Umgang nach Trennung“ ist 2023 erschienen, 2024 werden weitere Bände veröffentlicht.
Darüber hinaus hilft Silke Wildner seit 2022 als Mentorin Menschen dabei den eigenen Selbstwert
zu stärken und mental, beruflich und finanziell in die Unabhängigkeit zu kommen.
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